Im Wonnemonat Mai – dieser war vor der „kleinen Eiszeit“ milder als heutzutage –, wenn das Licht des Vollmondes in die Weißdornblüte fällt und alle Zugvögel wieder da
sind, ruft der Kuckuck, als Herold, alle Wesen zur Götterhochzeit.
Das Fest fing schon am Vorabend an. Schamanen und Schamaninnen flogen aus in die Götter- und Geisterwelt und verkehrten mit den Naturgeistern, auch mit dem archaischen
hörner- oder geweihtragenden Gott der Fruchtbarkeit. Junge Burschen zogen in den Wald, um den „Maibaum“ – im nördlichen Europa eine Birke, in den Alpenregionen eine Tanne
(Fichte) – zu holen und im Dorf, wie einen riesigen Phallus aufzustellen. Der Baumstamm wurde geschält und seine Spitze durchstieß einen mit roten Bändern umwundenen
Blütenkranz. Er stellte die Vereinigung des Sonnengottes mit dem „Blumenmädchen“, der göttlichen Braut, dar. Die Menschen, ergriffen von der Gegenwart der Götter,
umtanzten ekstatisch den Baum.